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Armin Elhardt

Schiller und Kollegen

MIT KARL EUGEN IM FEUCHTGEBIET

Als Stuttgart noch bei Ludwigsburg lag

Zuweilen trieb er's ganz schön toll, der aus Brüssel gebürtige Herzog. Unbekümmert, wenn auch nicht mühelos, setzte er die Tradition der Alleinherrscherei fort. Zu dieser recht einsamen Regierungsform gehörten wie selbstverständlich Verschwendung, Laster und notorische Großmannsucht. Die dafür notwendigen Attribute der Wollust, Willkür und Menschenverachtung brachte Karl Eugen standesgemäß mit.

Doch Ausschweifungen strengen an. Zum Beispiel das gestrige Fest mit Feuerwerk und Maskenspiel: Nach fünf Minuten war eine halbe Tonne Gold am Nachthimmel ebenso verpufft wie seine Lust an den drei Mädels aus Venedig. Aber das sollte ihm erst mal einer nachmachen! Und dann dieses leidige Protokoll: Heut abend das Gespräch mit den Architekten, morgen Empfang der Mozarts - Vater und Wunderknab - und tags drauf schon wieder Treibjagd am Bärensee. Ach, zuweilen sehnte er sich arg nach Ruhe. Ein kleines Schlößleinchen an einem petit lac vielleicht, nicht allzuweit von der Residenz... - Genau, das war's!

Er hob die Hand, ein Heiducke huschte heran, erhielt die Order: "Sag der Farinella, wir reiten aus! Sie accompagniert mich in einer halben Stund. - Leibwache 20 Mann genügt; Abstand dreimal hundert Fuß. - Für mich die brave Stute und einen weichen Sattel. - Nun ab. Vite, vite!"

Eine sanftere Unterlage schien ihm notwendig, da er am Gesäß ein Leiden verspürte, das 160 Jahre später der Sprach- und Problemforscher Karl Valentin den "Hyazinthen" zuschrieb.
"Èccomi, duce. Ihr wollen spielen bei Tag und machen mir ein Präsent? Lavoro di notte."

Gina de Farinella war eine begabte Kurtisane, deren Reitkünste Karl zuvor schon schätzen gelernt hatte. Seit einigen Stunden stand respektive lag sie in seiner Gunst ganz oben. Eine zuweilen störende Wißbegierde sah er ihr gerne nach.
"Nein, Gina, du arbeitest nicht nur nachts. - Und denk dran: Hier spricht man deutsch, ma chère! - Hör mal, wir schreiben anno 1763, und nächstes Jahr will ich mir ein Lustschloß erbaut wissen. Wir suchen jetzt einen kommoden Bauplatz, klar?"
"Si. Aber warum jetzt, und wann wir kommen wieder zurück? Meine Frisur..."
Der Herzog überging Ginas Unart, zwei Fragen auf einmal zu stellen, und bestieg sein Pferd über den Rücken des auf allen vieren kauernden Stallmeisters.
In leichtem Schritt ging's durch den "Hudewald", vorbei am Blickfang "Favorite", linkerhand das Jägerhaus über den Grund zum Heutingsheimer Teich. Der Tag zeigte sich in gepuderten Pastelltönen aus warmem Licht, der Landesherr eher nachdenklich. Gina wurde nicht müde, ihre Doppelfragen zu stellen.
"Was es heut geben in die Opera und was zum Essen?" - "Wie heißen das Kuchen mit Locken in Teig, und warum Ihr seid so still?"
Der Herzog antwortete stets knapp: "Orlando di Lasso." - "Fasan auf Spätzle." - "Hefezopf." - "Ich habe Wehweh."

Das hatte er. Und es erschwerte die Namensfindung für sein zukünftiges "palais de plaisir".

Nun waren sie durch die Sumpfwiesen des anmoorigen Geländes an einem Bach angelangt. Ringsum geilten Grünzeug, Geschmeiß und Gelbbauchunken. Das Plätzchen hatte etwas Animierendes. Ruhe sowieso. Nur wie nennen?
Ginas Worte mischten sich in seine laichenden Gedanken: "Diese weichen Bodengrunde mit Gras wie Pelz und aqua hier, aqua da: Wie heißen das in deutsch, und wo Ihr haben Wehweh?"
Kurz und fast barsch die Antwort Eugens: "Moore. - Po."
Er wiederholte die Silben, mehr für sich, und nun verzog ein Lächeln das Gesicht des Regenten. Für einen Moment trug es den Ausdruck der Wechselkröte, die gerade im Unterholz verschwand. Ein halbes Jahr später legte man dort den Grundstein zum Seeschloss Monrepos.

Das glaubt wieder kein Schwein, aber so steht's in der Chronik des alten Schloßverwalters, der quasi zur Wahrheit verpflichtet war.
Und heißt quasi nicht soviel wie "soviel wie"?

Aus: Armin Elhardt, Mit Karl Eugen im Feuchtgebiet, EDITION WUZ Nr. 1, Freiberg.

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