WUZ Nr. 17 (Pressetext) zurueck home  

 

Reinhard Döhl / Armin Elhardts "Streck Verse & lange Gesichter. Ein Wörterspiel (Mobile)" und die "Edition Wuz" im Jean-Paul-Museum Joditz unter Mitwirkung von Claus Henneberg anlässlich des 240. Geburtstages von Jean Paul

Nach Hof auf den Spuren Jean Pauls / fuhren wir eigentlich über Würzburg oder Pegnitz... (Reinhard Döhl: Aus den Botnanger Sudelheften)

Ist nicht die ganze jetzige Welt zum Feldprediger Schmelzle auf der Reise nach Flätz geworden? (Wilhelm Raabe: Aphorismen)

Dass sich die "Edition Wuz" mit der Präsentation ihrer neuesten Veröffentlichung im Jean-Paul-Museum Joditz vorstellt, macht Sinn. Gibt es doch neben einer umfassenden reproduktiven, sekundären durchaus eine wenn auch weniger bekannte primäre, produktive Jean-Paul-Rezeption, im vorigen Jahrhundert einsetzend etwa mit der Cento-Dichtung Georg Kulkas über Arno Schmidt bis zu den Hofer "Tagen für neue Literatur".

Die Besucher der ersten Hofer Literaturtage, 1966, könnten sich noch erinnern, dass Jean Paul, mit vor allem auf Hof bezogenen Exponaten, in einer Vitrine im Rathaus gleichsam zum Schutzheiligen der "Tage für neue Literatur" und damit der aktuellen Dichtung erklärt wurde. Der Hofer Schriftsteller Claus Henneberg hat noch für die Umschläge seiner letzten Publikationen Vorlagen Paul Krügers gewählt, die den Fensterblick freigeben auf den Schlossplatz mit dem Jean-Paul-Haus. Und Reinhard Döhl hat im Nachwort zu Hennebergs "Zeitsprünge" (2001) gezeigt, dass und in welcher Form Jean Paul im Werk Claus Hennebergs immer wieder begegnet, wobei z.B. die Schilderung des "Fröhlichen Steins" durch Jean Paul ("Hof, der fröhliche Stein und Doppel-Abschied sammt Töpen") Henneberg bereits 1969 als Vorlage für einen ersten experimentellen "Siebtext" diente.

Claus Henneberg ist bei der heutigen Präsentation aber auch deshalb mit von der Partie, weil die Hofer Literaturtage von Henneberg, Döhl und Helmut Heißenbüttel in Stuttgart konzipiert wurden, wohin eine weitere Jean-Paul-Spur führt. Nicht nur, weil die Grundlagenarbeit von Eduard Behrend † und Winfried Feifel zur historisch-kritischen Jean-Paul-Ausgabe in Marbach geleistet wurde, oder, weil das Werk Jean Pauls in Forschung und Lehre auch an der Stuttgarter Universität verhandelt wird (was Lehre und Publikationen Reinhard Döhls einschließt), sondern vor allem, weil Armin Elhardt und Döhl ein eigenes kleines Kapitel der Stuttgarter Jean-Paul-Rezeption geschrieben haben.

So haben sich beide vor zwei Jahren unabhängig von einander auf Spurensuche begeben, Reinhard Döhl in dem Kapitel "Jean Paul und Stuttgart" im Rahmen seiner Dokumentation "Von Briefstellern, Briefen und anderen schriftlichen Lustbarkeiten", Armin Elhardt mit seinem Marbacher "Spuren"-Heft "Jean Pauls Besuch in Stuttgart" (= Spuren 53).

Eine weitere Spur führt ins benachbarte Freiberg am Neckar, zu Elhardts "Edition Wuz", die bereits vom Namen her deutlich auf Jean Paul verweist, wenn auch ihr Herausgeber, Schulmeister wie der Namengeber, als "Attila Schmelzle" firmiert und der Druck von "Fibel & Pelz" besorgt wird. Innerhalb dieser Edition sind es vor allem zwei Hefte, die im heutigen Zusammenhang zu nennen wären: Armin Elhardts Jean-Paul-Essay "Wann kommst du, schleichendes Volk?" (= Wuz 3), ein nachdrückliches "Plädoyer für einen wartenden Dichter" aus dem Jahr 1997, und Reinhard Döhls "Wörterspiel" "Streck Verse und lange Gesichter" (= Wuz 17).

Döhl hat sich immer wieder auch spielerisch mit Jean Paul eingelassen, im Druck nachweisbar seit den "botnanger sudelheften" (1982), die für die Hofer Literaturtage festhalten: "nach hof auf den spuren jean pauls...", und für ihr Ende: "noch während der rede des toten christus / abschied von joditz / der ferne fall von lauwinen." In der "Kleinen Stuttgart Versschule" Wolfgang Ehehalts und Döhls ist Jean Paul der Clerihew gewidmet: "Jean Paul Friedrich Richter / zagt im Regen nie als Dichter / und wäre das glücklichste Wesen der Welt / wär er Krautpflanze gwä oder Gerstenfeld", ein Unsinnsvers, der in mundartlicher Einfärbung aus einem Stuttgarter Brief Jean Pauls an seine Frau zitiert. Natürlich hat sich Jean Paul auch ins "Gästebuch" des von Johannes Auer und Döhl herausgegebenen virtuellen Stuttgarter "Poet's corner'le", den "Stuttgarter Poetenwinkel" eingetragen. 1988 entsteht im Umfeld und als sehr subjektives Ergebnis eines Jean-Paul-Seminars Döhls inzwischen bekannteres Selbstportrait "Mülltonne aus Botnang" und seit 1990 schließlich arbeitet Döhl an einem Jean Paul gewidmeten "Wörterspiel", "Streck Verse und lange Gesichter", zu dessen gemeinschaftlicher Buchrealisation sich seit Ende des letzten Jahres Armin Elhardt und der Autor zusammengefunden haben, einem Projekt, dessen Genese und Realisation am heutigen Abend vorgestellt werden sollen. Wobei zu zeigen sein wird, wie weit und in welchem Maße Jean Paul wie schon bei den Hofer Literaturtagen auch hier Pate gestanden ist und die Regeln mitbestimmt hat bei einem Spiel, an dem ferner der Jean-Paul-Kenner Wilhelm Raabe und Günter Eich Anteil haben, der 1966 in Hof erstmals seine subversiven "Maulwürfe" vorlas.

reinhard döhl: streckverse & lange gesichter. ein wörterspiel (mobile), mit 19 collagen des verfassers, unter mitarbeit hrsg. von armin elhardt. freiberg/n: edition wuz nr. 17, 2003

 

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