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Armin Elhardt

Schiller und Kollegen

HOFKONZERT

Man kann Jean Paul manches vorhalten, und in der Tat hängt in gewissen Köpfen eine Liste voller Vorwürfe und Konjunktive:

Er sei nur deshalb Erzähler geworden, weil er wußte, keiner käme ihm gleich.

Als Lyriker und Dramatiker könne man ihn glatt vergessen; der Einwand, er habe weder Gedichte geschrieben noch Schauspiele, bestätige dies im Grunde bloß.

Zu fleißig sei er gewesen, zu alt geworden; Novalis, Büchner und Lenz hätten's da besser gemacht. Kürzere Sätze hätt' er schreiben sollen, dann müßte man nicht immer zurücklesen.

Er wäre bekannter, wenn er lehrplanfreundlicher - also weniger humorvoll - geschrieben hätte.

Mehr "action" hätte dem Werk gutgetan, den Zeichentrickfilm belebt, der Comic-Branche neue Impulse gegeben (siehe Illustrierte Klassiker Nr. 8: "Wilhelm Tell" von Frederick Schiller.)

Warum hat er denn nicht - statt abgebrochner Romane mit ellenlangen Abschweifungen - den "Faust" geschrieben? Der hat doch Hand und Fuß, sogar Pferdefuß und Engelszungen!

Ach ja: Besser benehmen hätt' er sich auch können, der Revo-luzzer, der eingebildete!

Besser benehmen? Eingebildet? Das zielt wohl auf seinen Bürgerstolz, den er so offen trug wie sein Haar am Tag des Hofkonzerts im Jahre 1799. Der Großherzog hatte gerufen, halb Weimar war gekommen. Zunächst gab man sich gegenseitig die Ehre, die Hand, den Vortritt, dann gab der Dirigent den Einsatz und das Orchester Mozart.

Offiziere, Minister, Attaches und weitere geladne Gäste - die Herren gestutzt, die Damen geputzt - präsentierten im großen Saal des Kleinfürsten ihre dekorierten Brüste: zumeist Orden und Broschen für Verdienste in Zusammenhang mit Kugeln oder Halbkugeln.

Jean Paul hatte seinen Platz auf der Galerie. Sie bot mit dem Doktor, Apotheker, Bibliothekar, Lehrer, aber noch mehr mit deren Frauen, eine angenehme Gesellschaft; leider auch eine schlechte Akustik. So reckte er den Kopf, um mehr Musik in sich hineinzulassen.

Drunten im Saal hatte von Goethe den Kollegen auf der Galerie ausgemacht. Nun flüsterte er seinem Nebensitzer, Freund und Herzog etwas ins Ohr.

Kurz darauf schob sich ein Lakai neben Jean Paul, der sich an die Stelle des Dirigenten träumte, um auch das zu hören, was hier oben den Ohren entging. Mit dem Knauf seines Degens stupste der Livrierte den Dichter diskret aus der Zauberwelt und bat ihn mimisch nach draußen. Dieser folgte mit gerunzelter Stirn. Vor der Galerie erfuhr er, daß Durchlaucht ihm die Ehre gewähre, sich unter die Adligen im Saale zu mischen. Allerdings müsse er, um nicht als Bürgerlicher aufzufallen, diesen Degen tragen. Hier reichte ihm der Diener Waffe und Portepee.

Jean Paul wischte beides mit einer Silbe weg: "Nie!" Das billet d'entree knüllte sich in seiner Faust. "Andre werden durch Degenabnehmen degradiert - ich werd' es durchs Gegenteil!"

Er wollte zurück an seinen Platz, da bat ihn der Diener um die lädierte Eintrittskarte.
"Wozu denn?" fragte Paul, strich das Papier glatt und legte es in die Hand des Mannes.

"Zur Erinnerung", meinte dieser und verbeugte sich etwas tiefer als üblich.

Vielleicht ist ein Teil des "Gschichtls derlogn", bestimmt aber nicht der bessere.



Aus: Armin Elhardt, Das Blinzeln des Abendsterns. Prosa, Alkyon Verlag, Weissach im Tal 1996. ISBN 3-926541-62-8

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